VON TORBEN PLATZER -AKTUALISIERT AM 02.04.2020
4,39 Milliarden Menschen auf der ganzen Welt sind online, davon benutzen 3,49 Milliarden soziale Netzwerke. Allein in Deutschland sind es 38 Millionen Menschen, die sich auf Facebook, Instagram und Co. aufhalten – im Durchschnitt 2 Stunden und 16 Minuten am Tag.
Da ist es auch nicht verwunderlich, dass laut einer Umfrage von Statista 94 Prozent der befragten Nutzer angeben, Facebook und andere soziale Netzwerke auch für ihr Unternehmen zu nutzen. Dabei geht es Unternehmen in erster Linie um ihr Produkt, dicht gefolgt von der Möglichkeit, über Social Media neue Mitarbeiter zu gewinnen.
Wer sich die Nutzungszahlen anschaut, erkennt gleichwohl: Social Media ist schon lange nicht mehr als Kür zu sehen, sondern sollte heutzutage definitiv zu den fest etablierten Kommunikationskanälen eines jeden Unternehmens zählen. Eine aktuelle Studie des Bitkom und des Zentralverbands des Handwerks zeigt hingegen, dass zwar mehr als 90 Prozent der Firmen über ihre Website auf ihr Angebot oder ihre Leistungen aufmerksam machen, jedoch nur 30 Prozent der befragten Unternehmen Social Media dafür nutzen.
Hier kommen zehn Tipps für den richtigen Umgang mit dieser Technologie:
#1 Unternehmen sollten auch exklusiv kommunizieren
In der heutigen Welt buhlt jeder um unsere Aufmerksamkeit. Egal, ob es Werbung im TV, Radio oder auf der Litfasssäule vor dem Bahnhof ist, man in der Fußgängerzone angesprochen wird oder das Wochenblatt im Briefkasten liegt – wir werden überhäuft mit Reklame. Laut einer Studie von Microsoft lag unsere Aufmerksamkeitsspanne im Jahr 2015 schon nur noch bei acht Sekunden, die eines Goldfisches liegt bei neun Sekunden. Schuld daran ist auch die digitale Welt, die uns immer schneller mit neuen Impressionen versorgt.
Umso wichtiger ist es, dass Unternehmen mit ihrer Zielgruppe wie in einer Art eigenem Bereich kommunizieren. Dadurch lassen sich Ablenkungen durch Werbebanner, empfohlene Inhalte und andere Störquellen verringern. Es bietet sich beispielsweise an, ein eigenes Forum zu etablieren, etwa eine Facebook-Gruppe zu eröffnen oder die Menschen sogar in eine App wie den Telegram Messenger zu holen. Weniger Ablenkung bedeutet mehr Aufmerksamkeit für das Unternehmen. Es entsteht ein ungestörter Dialog. Ratsam ist, dafür entweder exklusiven Content zu kreieren oder eine exklusive Kommunikation anzubieten, die einen Anreiz bietet, diesem Forum auch beizutreten. Hier ließe sich beispielsweise ein Live-Video in einer Gruppe planen, bei dem der Geschäftsführer interviewt wird, die Community Fragen stellen kann und Einblicke hinter die Kulissen erhält. Das schafft Nähe und baut Vertrauen auf.
#2 Unternehmen sollten Anreize schaffen
In den sozialen Netzwerken werden jeden Tag hunderttausende neuer Accounts eröffnet und mit Content bespielt. Unternehmen müssen herausfinden, wie es ihnen gelingt, dass Menschen ihrem Unternehmen auf Social Media folgen – und nicht anderen. Dass der eigene Social Media-Kanal neben der Website als digitale Visitenkarte gesehen und auch über Google gefunden wird, ist ein Aspekt. Der weitaus wichtigere Aspekt ist für Unternehmen, darüber effektivere und mehr Möglichkeiten der Neukundengewinnung und -bindung, des Kundenkontakts zu haben.
Menschen wollen unterhalten werden, lieben Gamings oder auch Pre-Sales. Anreize können vielfältig sein. Doch es geht letztlich immer darum, Vertrauen zu schaffen und zu stärken. Unternehmen sollten sich die Frage beantworten, welchen Mehrwert Menschen durch ihre Inhalte bekommen. Werden Probleme gelöst und Ideen zur Lösung an die Hand gegeben, so baut das Unternehmen eine essenzielle Bindung zur Person auf und bleibt im Gedächtnis.
#3 Unternehmen sollten Content kreieren, der geteilt wird
Exponentielles Wachstum erhalten Unternehmen über die sozialen Medien vor allem dann, wenn ihre Inhalte geteilt werden. So können in kurzer Zeit mit einem neuen Follower mehrere hundert oder mehr neue Follower gewonnen werden. Geteilt wird neben Infografiken, lustigen Karikaturen (Memes) der Content, den jeder versteht und im Alltag passiert. Smart sind die Kampagnen, mit denen sich der Großteil der Menschen identifizieren kann.
Auch an der richtigen Stelle zu polarisieren, Haltung zu zeigen oder eine Position zu vertreten, kann für Unternehmen Sinn machen. Edeka und Lidl, die sich kürzlich einen Wettkampf auf den sozialen Medien lieferten, sorgten nicht nur für Unterhaltung, sondern formierten ihre Käufer für die eine oder andere Seite. Am Ende gewannen beide Marken neue Follower und vor allem eine ganze Menge Aufmerksamkeit.
Der qualitative Anspruch ist auch auf Social Media in den letzten Jahren extrem gestiegen. Erwartet werden 4K-Videos mit sehr guter Tonqualität, und man könnte meinen, die Zeit von verwackelten Handyvideos und unbearbeiteten Bildern ist vorbei, doch das stimmt nur bedingt. Zwar sind Youtubes Qualitätsansprüche mit denen des TV vergleichbar, doch es gibt auch Plattformen, auf denen authentischer, im Smartphone generierter Content sehr gut ankommt. Ein unbearbeitetes Bild ohne Filter auf Instagram kommt beispielsweise sehr gut an und bietet neben den perfekten, retuschierten eine schöne Abwechslung, die oft mit viel Resonanz belohnt wird (#NOFILTER). Auch in den Instagram Stories oder bei TikTok gilt: je authentischer, desto besser. Die Nutzer fordern echte Inhalte, bei denen auch mal was schief gegangen ist, anstatt sie zu löschen. Am Ende sind es Menschen, die den Content des Unternehmens erstellen und keine Roboter. Diese Menschlichkeit macht sympathisch und wird gerne gesehen.
#4 Unternehmen sollten eine Content-Strategie haben
Damit Unternehmen online langfristig erfolgreich sind, benötigt sie einen roten Faden bei ihren Inhalten. Es ist notwendig, sich im Vorfeld genau zu überlegen, welche Ziele mit Social Media erreicht werden sollen. Ist maximale Reichweite das Ziel, bloße Aufmerksamkeit, ein gut gepflegtes Profil, welches gefunden wird und auf dem die Produkte gut präsentiert sind? Oder soll eine bereits bestehende Community gestärkt werden? Die Strategie sollte möglichst über ein Jahr hinweg geplant sein und nicht stark variieren. Feinjustieren ist sinnvoll, um aktuelle Trends und Themen, die relevant sind, aufzugreifen und nicht zu verpassen. In der Content-Strategie sollten auch die Werte des Unternehmens fest verankert sein.
#5 Unternehmen sollten Content ihrer Nutzer generieren
In unserer Zeit funktioniert einseitige Kommunikation nicht mehr. Vielmehr muss es Unternehmen darum gehen, mit ihrer Zielgruppe in den Austausch zu kommen, Feedback zu erhalten und vieles mehr. Eine Möglichkeit ist, das über den von Nutzern generierten Content zu tun. Dadurch wird dieser Content strategisch relevant für Unternehmen. Netzwerke wie TikTok laden gerade heutzutage zu jeder Form von Mitmach-Wettbewerben ein. User können einfach und schnell kreative Inhalte erstellen. Und Unternehmen haben den Vorteil, mit diesen nicht nur mit der jungen Generation in den Dialog zu treten, sondern diese auch noch an sich zu binden.
#6 Unternehmen sollten die native Sprache sprechen
Jeder Kanal hat seine eigene Sprache und je besser Unternehmen diese sprechen, desto besser wird der Content ankommen. Facebook ist beispielsweise eine Plattform, auf dem User längere Texte lesen und dreiminütige Videos anschauen. Bei TikTok werden stattdessen 15-30-sekündige lustige dynamische Clips erwartet. Auf Youtube schauen sich User gerne Erklärvideos und Interviews an, auf Instagram wollen sie eher eine in kurzen Videos oder Bildern eingefangene Impression sehen. Wenn User TikTok öffnen, weil sie lachen wollen, so öffnen andere LinkedIn, weil sie gerade netzwerken wollen. Das muss ein Unternehmen wissen und seinen Content danach ausrichten, um die User auf dem jeweiligen Social Media-Kanal überhaupt erreichen zu können.
#7 Unternehmen sollten cross promoten
Der Gedanke, jeden Kanal von null an aufbauen zu müssen, kann Unternehmen im ersten Moment abschrecken. Gerade die ersten 100 Follower sind für Unternehmen schwieriger zu gewinnen als die nächsten 900. Diese Follower sollten Unternehmen auch auf ihre anderen Plattformen ziehen.
Cross Promotion funktioniert sehr gut, wenn Unternehmen es mit bestimmten Anreizen verbinden. Das kann zum Beispiel ein Gewinnspiel auf Instagram sein, das den Youtube-Kanal miteinbezieht. Ein Abo dort ist essenziell, um mitmachen zu können. So können Unternehmen meist schon einen gewissen prozentualen Anteil ihrer Follower dorthin ziehen. Auch konstantes Erwähnen der anderen Kanäle und der unterschiedlichen Benefits hilft. So könnten Unternehmen in ihrem Podcast beispielsweise sagen, dass es die detaillierte Schritt-für-Schritt-Anleitung in einem Youtube-Video und die angesprochenen Berichte zum neuen Produktlaunch jetzt auf Facebook und LinkedIn zu finden sind. Wichtig ist auch hier, dass Unternehmen gezielt und überlegt streuen. Einen weiteren Kanal zu erwähnen, kann stärker sein als die Aufforderung, bei allen anderen auch zu folgen. Auf keinen Fall sollten Unternehmen die Userexperience einschränken, wenn User nicht überall folgen.
#8 Unternehmen sollten dort kommunizieren, wo sich die Zielgruppe aufhält
Viele Unternehmen begehen den Fehler, nicht zu analysieren, wo sich ihre Zielgruppe aufhält. Um Impressionen für die zukünftige Käuferschaft Gen Z zu setzen, sollten Unternehmen über TikTok und Instagram kommunizieren anstatt über LinkedIn. Achten Unternehmen dann noch auf die Sprache des Mediums, ist die Chance der Durchdringung relativ hoch. Die eigene Message und Mission jeweils so zu formulieren, dass sie sich nicht verändert, aber überall verstanden wird, ist eine der Hauptaufgaben für Unternehmen.
Jedes Medium hat so etwas wie eine eigene Kultur, in der sich Szenewörter etabliert haben. Bevor Unternehmen dort selbst kommunizieren, ist es ratsam, vor allem hinzuhören, zuzuschauen und verstehen zu lernen.
#9 Unternehmen sollten Vorurteile anderer zum eigenen Vorteil nutzen
Vor zwei Jahren wurde prognostiziert, auf Instagram würden sich nur Teenager aufhalten und es sei eine Plattform für Kinder. Heute ist so gut wie jedes Unternehmen auf Instagram präsent und versucht, dort ein Following aufzubauen. Das gleiche wird heute über TikTok gesagt, doch selbst konservative Marken wie die Tagesschau sind dort aktiv mit mittlerweile mehr als 300.000 Followern.
Social Media bedeutet auch, Weitsicht zu haben und auch auf Kampagnen zu setzen, die zwar nicht auf einen sofortigen Kauf abzielen, dafür aber die Käufer von morgen für ein Thema oder ein Produkt sensibilisieren. Der beste Zeitpunkt, um auf einem Kanal aktiv zu werden, ist der, wenn andere diesen verlassen oder aufgrund von Vorurteilen nicht starten.
#10 Unternehmen sollten mutiger sein, Social Media verzeiht
Nichts ist so abhängig von Trends wie der Algorithmus der sozialen Netzwerke, denn es geht einzig und allein um Relevanz. Ein Thema, das heute einen regelrechten Hype erfährt, kann in zwei Wochen schon wieder total out sein. Deswegen gilt hier umso mehr, sich als Unternehmen auszuprobieren. Selbst wenn etwas mal nicht funktioniert oder geglückt ist, so ist das kein Beinbruch. Social Media hat ein Kurzzeitgedächtnis – verglichen mit dem Internet.
Wieso also nicht mal gemeinsam mit dem Management einen Tanz zu Britney Spears „Oops I did it again“ aufnehmen oder an der #SMILEYCHALLENGE teilnehmen, wenn diese doch gerade auf TikTok viral geht. Wichtig ist, dass kein langfristiger Schaden angerichtet wird oder die Werte der eigenen Unternehmensphilosophie verletzt werden. Auf Social Media gilt das Sprichwort „wer nicht wagt, der nicht gewinnt“.