Warum es für Unternehmen fatal sein könnte, jetzt auf Werbung zu verzichten

01.04.2020 | von Catrin Bialek

Unternehmen streichen ihre Werbebudgets zusammen – vornehmlich aus Kostengründen. Doch das könnte ein Fehler sein. Die Biermarke Guinness zeigt, wie Werbung in der Krise geht.


Guinness-Biere © AFP

Düsseldorf Die Coronakrise trifft die Werbebranche hart. Viele Agenturen merken, dass werbetreibende Unternehmen ihre Marketingbudgets zusammenstreichen. Besonders rigoros zeigte sich Coca-Cola, einst die wertvollste Marke der Welt.

Der Hersteller kündigte in einem Post auf Twitter an, seine kommerzielle Werbung für alle Marken ab April komplett auszusetzen. Und zwar „bis auf Weiteres“, wie es in dem Tweet hieß. Es gebe „eine Zeit für Werbung. Und eine Zeit, in der etwas anderes wichtiger ist. Diese Zeit ist jetzt“, begründete ein verantwortliche Manager von Coca-Cola diesen Schritt.

Die Werbeindustrie kürzt die Budgets zusammen. „Über alle Medienkanäle hinweg gehen wir für den Monat April von einem Rückgang der Werbeumsätze von 35 Prozent aus”, berichtet Andrea Malgara, Managing Director der Mediaagentur Mediaplus, die Werbeplätze im Auftrag von Unternehmen bucht. Bei den Onlinemedien und den sozialen Medien sieht Malgara eine Kürzung um 20 Prozent, beim klassischen Fernsehen gar um 50 Prozent.

Die Werbebremse von Unternehmen wie Coca-Cola stößt in der Branche auf Unverständnis. Das Marktforschungsunternehmen Kantar lieferte sogleich Zahlen dazu: Viele Marken zögen es in Betracht, zur Kostensenkung keine Werbung mehr zu schalten.

In diesem Fall schätzt Kantar, dass eine sechsmonatige Werbepause im Fernsehen zu einer 39-prozentigen Verringerung des gesamten Bekanntheitsgrades der Markenkommunikation führen wird. Dadurch wird nach Ansicht der Marktforscher möglicherweise auch der wirtschaftliche Aufschwung nach der Pandemie verzögert.

„Diese Krise wird viele Unternehmen so substanziell schwächen, dass sie gezwungen sind, die Budgets für Markenaufbau und Kommunikation herunterzufahren – ob sie wollen oder nicht“, meint Walter Brecht, Mitinhaber der Markenberatung Spirit for Brands. Dadurch würden die Präsenz und die Weiterentwicklung vieler Marken geschwächt. Das wird Folgen haben: „Davon, immerhin, werden später die stärkeren Marken profitieren“, sagt Brecht.

Die Agenturgruppe Serviceplan hat den Zusammenhang von Werbeverhalten und Marktanteilen analysiert und festgestellt: Marken, die in den vergangenen beiden Krisen 2003 und 2009 ihre Marketingausgaben erhöht haben, konnten anschließend einen deutlich höheren Marktanteil verzeichnen.

Konkret heißt es in der Studie: „Unternehmen, die ihr Werbegeld in einer Rezession beibehielten oder erhöhten, verkauften 256 Prozent mehr, als Unternehmen, die ihre Ausgaben kürzten.“ Für die Auswertung ließ die Agentur 1000 Marken analysieren.

Die Logik dahinter: Marken werden meistens relativ zu ihrem Wettbewerb wahrgenommen. Die Schwäche der einen Marke ist die Stärke der anderen. Wenn sich das gesamte Werberauschen verringert, werden die Marken, die etwas zu sagen haben, besser gehört.

Die Süßwarenmarke Katjes hat sich für einen solchen, offensiven Weg entschieden. Jetzt den Rotstift anzusetzen ist für Volker Weinlein, Chief MarketingOfficer von Katjes International, eine schlechte Marketingstrategie, gerade in Krisenzeiten. Weinlein sagte dem Branchenblatt „Horizont“: „Wir investieren, weil wir an die Marke glauben und ausbauen wollen.“

Vorbereitung auf die Zeit nach der Krise

Doch es geht nicht nur um das Ob, sondern auch um das Wie. Eine der ersten Marken, die von der Coronakrise getroffen wurde, war die Biermarke Guinness. Der St. Patricks Day, irisches Volksfest und Verköstigungsrahmen für das Getränk zugleich, wurde Mitte März abgesagt.

Guinness zeigte sich daraufhin entspannt: „Don’t worry, we‘ll march again“, textete die Marke in ihren Werbebotschaften, die sie über digitale Medien verteilte, und erinnerte daran, dass es auch eine Zeit nach dem Coronavirus geben wird. Eine Zeit, in der es genug Gelegenheit geben werde, Guinness zu trinken.

Für Florian Haller, Hauptgeschäftsführer der Agenturgruppe Serviceplan, ist das ein Musterbeispiel für Reklame in Krisenzeiten. Die Biermarke habe sich damit „gut positioniert“, meint der Agenturchef. Den richtigen Ton zu treffen ist nicht leicht in Krisenzeiten, in denen viele Produkte überhaupt nicht mehr erhältlich sind.

Die Coronakrise ist auch die Zeit, in der sich viele Unternehmen als Helfermarken positionieren. Ein Beispiel unter vielen: Die Getränkemarke Jägermeister spendet Alkohol, um Desinfektionsmittel herzustellen. „Das ist gut, und wird bestimmt auch honoriert, kommt auch nachvollziehbar aus dem Kerngeschäft der Marke“, sagt Markenexperte Brecht. Aber das habe nichts mit Markenpositionierung zu tun. „Wer glaubt, kurzfristige Maßnahmen fürs Gemeinwohl stärken dauerhaft die Marke, ist auf dem Holzweg“, meint er.

Viel wichtiger ist es nach Ansicht des Markenberaters, sich auf die Zeit nach der Krise vorzubereiten. Denn dann komme es für die Unternehmen zunehmend auf die eigentliche Funktion der Marke an: Nachfrage schaffen. „Nachfrage schafft die Marke aber nicht durch Geraune von Purpose oder durch Haltungskampagnen, sagt Brecht. „Die Marke schafft Nachfrage durch Substanz und Leistung. Und die ist nach der Krise besonders gefragt. Dann trennt sich die Spreu vom Weizen: Welche Marke macht mein Leben wirklich wieder besser, schöner, einfacher, sinnvoller?“

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